Alles nichts ohne Oder: Manuel Andrack im Nationalpark unteres Odertal
Der Nationalpark Unteres Odertal ist Deutschlands einziger Auen-Nationalpark. Als Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 gibt es hier kleine und große Naturschätze zu entdecken. Davon hat sich unser Autor und Wanderexperte Manuel Andrack persönlich überzeugt.
Ich stehe mit André Pataki auf einer Brücke. Pataki ist schon seit vielen Jahren NaturwachtMitarbeiter des Nationalparks Unteres Odertal. „Pataki“ ist ungarisch und bedeutet „kleiner Fluss“. Das passt, denn unter uns fließt die Alte Oder, der schiffbare ehemalige Hohenzollernkanal. Sozusagen der kleine Bruder der „richtigen“ Oder. „Wenn man eine halbe Stunde auf der Brücke steht, gibt es eine Garantie, den Eisvogel zu sehen und zu hören“, sagt Pataki. Leider würden wir heute erfrieren, wenn wir so lange auf der Brücke stehen bleiben würden. Also gehen wir weiter, denn wir wollen auf dem 3,7 km langen Auenpfad durch die Oder-Auen zur „richtigen“ Oder wandern.
Ein Paradies für den Eisvogel
Die Oder im Bereich des Nationalparks darf sich – das ist einzigartig in Deutschland – so richtig breitmachen. Vom 15. November bis 15. Mai werden die Wehre aufgemacht und die Oder
flutet die Auen. Dann ist der Auenpfad nur mit dem Boot oder dem Taucheranzug begehbar. Wir gehen durch ein kleines Wäldchen, dann geht wie im Kino der Vorhang auf und wir bestaunen einen Panoramablick über die Oder-Auen bis in die polnischen Berge.
Wir sehen einige Vögel während unserer Wanderung, aber am spannendsten sind eigentlich die indirekten Spuren: die vom Schwarzspecht abgeschälten Bäume und die von Bibern abgeknabberten Stämme. In einem kleinen Altwasserarm hat
wahrscheinlich ein Fischotter eine Schneise durch die Entengrütze geschwommen. Pataki hat Tipps, wo man den Fischotter im Winter sehen kann. Die sind sehr verspielt, bauen sich im Winter Rutschbahnen auf das Eis. Fischotter? Die wollen nur spielen!
Der Nationalpark Unteres Odertal ist auch eine beliebte Zwischenstation für Zugvögel, die nach Spanien weiterziehen. Für einige Zugvögel aus Skandinavien ist es aber auch das Winterquartier. Wir sehen einen Kormoran auf einem toten Baum, Pataki nennt ihn „Föhn-Baum“. Der Kormoran versucht, sein Gefieder zu trocknen, das klappt wegen des Regens aber anscheinend gar nicht.
Von „rutschenden“ Fischottern und „föhnenden“ Kormoranen
Am Ende des Auenpfades stehen wir an der Oder, die eine ordentliche Fließgeschwindigkeit hat. Am deutschen Ufer rotschwarz-goldene Grenzpfosten (lustig, dass es die im Osten gibt, von der deutsch-französischen und deutsch-luxemburgischen Grenze kenne ich das nicht). Pataki bemerkt trocken: „Die Grenzpfähle gibt es nur, damit sich die Bussarde draufhocken können.“ Der Nachteil am Konzept des Auenpfades: Man muss den kompletten Weg wieder zurückgehen. Während mir der Sturm den Regen ins Gesicht peitscht, fühle ich mich wie an einem Schietwettertag auf einer Nordseeinsel. Im sehr empfehlenswerten Besucherzentrum in Criewen wärmen wir uns auf. Und das Belohnungsbier in der Gaststätte zur Linde rundet den feuchten Tag im Unteren Odertal perfekt ab.
Profil
Region Unteres Odertal/Schwedt
Länge 3,7 km
Webtipp www.nationalpark-unteres-odertal.eu
Google-Maps Startpunkt der Wanderung
Natur-Highlights
Auf dem Wasser, zu Fuß oder per Rad: Der Auenpfad macht die einzigartige Landscha der Polderwiesen in der Flussaue des Nationalparks Unteres Odertal südlich von Schwedt er- lebbar. Über ein verzweigtes Wegenetz können die Besucher des Nationalparks Unteres Odertal das Schutzgebiet aus nächster Nähe erleben. Neben den verschiedenen Rundwe- gen durch das Schutzgebiet führen auch mehrere Erlebnis- pfade in die Auen- und Polderlandscha . Diese warten mit einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt auf: Der Wasser- und Nährsto reichtum des Unteren Odertals bietet ideale Lebens- bedingungen. In Ufernähe wachsen hier au ällig große und blütenreiche Pflanzen, zu denen die Sumpf-Schwertlilie oder der Gewöhnliche Blutweiderich gehören.