Isar: Manuel Andrack an und im lebendigen Fluss
Bei Deggendorf, am Rande des Bayerischen Waldes, fließt die Isar in die Donau. Im Mündungsbereich hat sich eine einzigartige Auenlandschaft erhalten. Manuel Andrack hat sich für uns umgesehen.
„Viele Münchener wissen wahrscheinlich gar nicht, wo die Isar mündet“, sagt Georg Kestel, Landschaftsplaner von Beruf und außerdem Chef der Deggendorfer Kreisgruppe beim BUND Naturschutz in Bayern. Ich komme zwar nicht aus München, wusste es aber auch nicht. Wir stehen an der Mündung der Isar in die Donau, gegenüber Deggendorf am Fuße des Bayerischen Waldes. An der Isarmündung treffen sich flora- und faunatechnisch die Alpen (klar, die Isar ist ein Alpenfluss), die niederbayerische Donauniederung und kurioserweise in gewisser Weise auch letzte Ausläufer der ungarischen Tiefebene. Jodeln vermengt sich mit Wiener Schmäh und der Puszta, faszinierend.
Die Isarmündung – das bayrische Amazonas-Gebiet
Wir wandern auf dem Deich, genauer dem ersten Deich. Seit der Jahrhundertflut 2013 wurde mit großem Nachdruck eine zweite Deichlinie gebaut. Auf dem ersten Deich laufen wir am Auenwald und am Wasser entlang. Das ist aber nicht die Isar, sondern einer von zwei Altarmen, die sich in den letzten Jahrhunderten sehr verändert haben. Die Altarme machen die Isarmündung zu einem Flussdelta (eigentlich sind die Altarme Reste des früheren Mündungsdeltas bzw. der Flussverlagerungen, die gerade bei der Isar vielfach vorkamen), zum bayrischen Amazonas-Gebiet. „Flüsse brauchen Räume“, sagt Kestel. Ich bin sehr empfänglich für Rekordmeldungen und sauge daher begierig die Info auf, dass das Isarmündungsgebiet die meisten Weichtierarten in einem Gebiet in Mitteleuropa beheimatet: 140 Muschel- und Schneckenarten.
140 Muschel- und Schneckenarten finden sich in der Isar
Wir verlassen die Deichkrone und wollen uns den Altarm näher anschauen. Doch der Weg ist überflutet vom Hochwasser. Aha, deswegen wandert Kestel in Gummistiefeln! Ich entscheide mich für die Barfuß-Alternative, gut, dass ich immer mit kurzen Hosen wandere. Tolles Gefühl, kalt, erfrischend, naturkneippen vom Feinsten. Feel the Isar! Ich sehe beim Gang durchs Hochwasser, wie einige Schnecken obenauf schwimmen. Das sind aber leider keine Wasserschnecken, sondern – wie es Kestel formuliert – „normale“ Schnecken, die es vor dem Hochwasser nicht mehr rechtzeitig auf die Bäume geschafft haben. Tja, blödes Schneckentempo eben. Kestel erklärt mir im Wasser stehend den Unterschied zwischen Hartholzaue und Weichholzaue. Zur Weichholzaue gehört die Silberweide (sie glänzt wirklich silbern), die fast ein Drittel des Jahres im Wasser stehen kann, null Problemo. Die dicke Eiche neben uns gehört zweifelsohne zur Abteilung Hartholz, die mag feuchte Füße weniger – je höher der Fluss steigt, desto töter die Eiche. Lebendige Flüsse brauchen eine ausgeprägte Hart- und Weichholzaue, die durch regelmäßigen Wechsel von Überflutung und Trockenzeiten (oder Hoch- und Niedrigwasser) geprägt sind.
Hartholzauen und Weichholzauen für lebendige Flüsse
Wir sind wieder auf dem Deich und gehen Richtung Isarquelle. Von der Mündung bis kurz vor Plattling kann man auf dem Deich an der Isar entlang als Deichfürst wandern. Wer damit unterfordert ist, kann auch bis München weiterlaufen, kein Problem. In unserem Rücken die gigantische Kulisse des bayerischen Waldes. Neben uns im Auenwald viele Eschen, die aber langsam sterben, ein Pilz setzt ihnen zu. Wir hören den Buntspecht, beziehungsweise Kestel hört ihn, ich erkenne den Specht nur, wenn er auf Holz pocht. „Ne, der gickst ein wenig“, grinst Georg Kestel. Und ich sehe im Altarm einen Graureiher, der richtig majestätisch daherstakst. Der Reiher erinnert mich an Monty Pythons Ministry of Silly Walks.
Kurz vor dem Ende unserer kurzen Wanderung erzählt mir Kestel, die wichtigsten Zutaten zu unseren Alkoholika kämen letztendlich auch aus dem Auewald: Hopfen und Wein. Bayerischer Wein? Den gab es mal im Mittelalter, er könnte mit dem Klimawandel wieder Konjunktur haben. Und wenn es wieder Wein an der Isarmündung gäbe, wüssten auch alle Münchener, wo die Isar mündet.
Profil
Region Isarmündung/Donau, Deggendorf
Länge ca. 6 km
Webtipp www.infohaus-isarmuendung.de
Google-Maps Startpunkt der Wanderung
Natur-Highlights
Eine einzigartige Auenlandschaft gestaltete die Isar auf den letzten 8 km bis zu ihrer Mündung in die Donau bei Deggendorf. Durch ihre unterschiedlichen Strukturen und Standorte bietet die Aue eine Heimat für ca. 100 bedrohte und besonders gefährdete Pflanzen, rund 30 Feuchtgebietsvogelarten, zahlreiche Insekten sowie Fischund Amphibienarten.